Rede von Bernd Kräling im Rat der Stadt Winterberg

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, geehrte Mitglieder des Rates,
geehrte Mitarbeiter der Verwaltung, verehrte Zuhörer und Pressevertreter,

wir sind in dieser Ratsperiode zum dritten Mal aufgefordert, den von Bürgermeister und Verwaltung eingebrachten Haushalt für das kommende Jahr zu verabschieden.
Es ist immer noch eine schwierige Zeit, die uns schon vor Beginn der jetzigen Ratspe-riode zu großen Einschränkungen bei unseren Ausgaben zwang.

Nicht genug, dass der Haushalt weiterhin durch die Folgen der anhaltenden Corona-Pandemie belastet wird, wir spüren auch die Belastungen durch den am 24.02.2022 begonnenen Angriffskrieg Wladimir Putins gegen die Ukraine.

Durch das Gesetz zur Isolierung der aus der COVID-19-Pandemie folgenden Belas-tungen der kommunalen Haushalte im Land Nordrhein-Westfalen (NKF-COVID-19-Isolierungsgesetz – NKF-CIG) vom 29.09.2020 wurde die Möglichkeit geschaffen, die coronabedingten Mindererträge und Mehraufwendungen zu „isolieren“, um somit den Städten zu ermöglichen „coronabedingte Haushalte“ genehmigungsfähig aufstellen zu können.
Zwischenzeitlich wurde am 21.09.2022 im Landtag NRW ein Gesetz (Drucksache 18/997) eingebracht, das die Erweiterung der Isolierung um die Folgen des Krieges gegen die Ukraine beinhaltet.
Demnach können in 2023 nicht nur die Folgen der Corona Pandemie, sondern auch die Folgen des Krieges gegen die Ukraine isoliert werden.

Um die bis zum 31.12.2020 aufgebaute Ausgleichsrücklage i.H.v. 1.467.610,37 € nicht
angreifen zu müssen, erfolgte in den Jahresabschlüssen 2020 und 2021 der Stadt
Winterberg die Isolierung der coronabedingten Mindererträge und Mehraufwendungen in Höhe von insg. 3.826.510,77 €.
Der verabschiedete Entwurf des Haushalts 2022 sieht eine weitere Isolierung in Höhe von 640.724 € für das Jahr 2022 vor, die je nach tatsächlichem Verlauf des Jahres 2022 erhöht bzw. gemindert werden kann.
Im Entwurf des Haushaltsplanes für das Jahr 2023 ist diese Isolierung für das Jahr 2022 nicht mehr erfasst.
Wir schließen daraus, dass sich aufgrund einer positiven Einnahmenentwicklung 2022 im Abschluss 2022 der Stadt Winterberg vielleicht gar kein Fehlbetrag ergibt.

Wir haben vergangenen Woche mit Freude zur Kenntnis genommen, dass die Kreisum-lage 2023 auf gemeinsamen Antrag der Kreistagsfraktionen der CDU und FDP nicht - wie ursprünglich im Haushaltsentwurf des Kreises geplant - um 0,82% auf 33,72% er-höht wurde, sondern tatsächlich um 0,40 % auf 32,50% gesenkt wurde.

Wir sind uns bewusst, dass die Minderung der Kreisumlage nur erfolgen konnte, weil im Kreishaushalt die Isolierung der Kosten des Krieges gegen die Ukraine einschließ-lich der damit verbundenen Steigerung der Energiekosten vorgenommen wurde.
Seien wir uns daher bitte auch bewusst, dass diese isolierten Aufwendungen in späte-ren Zeiträumen nicht ganz „überraschend“ auf die Gemeinden des Hochsauerland-kreises zukommen und in den folgenden Jahren Erhöhungen der Kreisumlage nicht ausgeschlossen werden können.
Leider mussten wir beim Studium des Haushalts auch zur Kenntnis nehmen, dass die Jugendamtsumlage des Kreises, die anteilig auf die Stadt Winterberg entfällt, auf Grund der gestiegenen Steuerkraft Winterbergs und einer Erhöhung des Hebesatzes des Krei-ses um 1,63 % auf 21,95% angewachsen ist.
Auch wird die Reform des Wohngeldes bisher noch nicht endgültig absehbare Auswir-kungen auf den Personalbedarf der Stadt Winterberg haben.
Wir wissen und werden immer wieder aus neue darauf hingewiesen:
Ein Haushaltsplan ist ein dynamischer Prozess, eine Rechnung mit vielen Unbekann-ten.
Von dem bei Einbringung des Haushalts in den Rat am 25.10.2022 ermittelten Fehlbe-trag i.H.v. 2.322.038,00 € wurde aufgrund der Folgen des Krieges gegen die Ukraine ein Betrag i.H.v. 1.064.750,00 € isoliert, so dass letztendlich zum Ausgleich des geplan-ten Fehlbetrages 2023 ein Betrag i.H.v. 1.257.288,00 € der Ausgleichsrücklage ent-nommen werden soll.

Die Isolierung der Kosten des Krieges gegen die Ukraine konnten zur Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 06.12.2022 durch verschiedene Korrekturen, überwiegend durch Erhöhung von Schlüsselzuweísungen, bereits in Summe um 718.952,00 € auf 345.798,00 € gemindert werden.
Mit Mail des Kämmerers vom 14.12.2022 wurden wir auf weitere Abweichungen hin-gewiesen:
Im ursprünglichen Haushaltsplanentwurf der Stadt Winterberg für das Jahr 2023 war eine Kreisumlage i.H.v. 6.476.000,00 € eingestellt, ein aufgrund der gestiegenen Steu-erkraft Winterbergs um 406.750,00 € höherer Betrag als im Jahr 2022.
Die Senkung der Kreisumlage um 0,40 % sowie die geringeren Schlüsselzuweisun-gen im Vergleich zur ursprünglichen Arbeitskreisberechnung schlagen sich nach den Berechnungen des Kämmerers mit einem Betrag i.H.v. 98.280,00 € im Haushalt der Stadt Winterberg nieder.
Die Jugendamtsumlage ist - auch nach Korrektur wegen der Berücksichtigung geringe-rer Schlüsselzuweisungen im Vergleich zur ursprünglichen Arbeitskreisberechnung - um 558.868,00 € gegenüber dem Jahr 2022 gestiegen.
Wie in der o.a. Mail weiter ausgeführt wird, verringert sich der Eigenanteil der Stadt Win-terberg für das Hof- und Fassadenprogramm um 10.000,00 €.
Wir wurden auch noch einmal darauf hingewiesen, dass mit höheren Zahlungen bei der Krankenhausumlage NRW und bei den Umlagen des Hochsauerlandkreises für die Volkshochschule sowie die Drogen-/Suchtberatung zu rechnen ist.
Eine Aussage zur Höhe dieser Kostensteigerung ist z.Zt. leider noch nicht möglich.
Unter Berücksichtigung der mit Mail vom 14.12.2022 mitgeteilten Minderungen ist nun vorerst eine weitere Minderung um 121.466,00 € auf nunmehr 146,332,00 € für die Isolierung der Kosten des Krieges gegen die Ukraine möglich.

Wie bereits oben ausgeführt, besteht je nach tatsächlichem Verlauf des Jahres 2023 noch die Möglichkeit, die Isolierung für das Jahr 2023 zu erhöhen, ggf. auch zu min-dern.

Die Belastungen der Jahre 2020 – 2023 können nunmehr ab 2026, auf einen Zeit-raum von bis zu 50 Jahren linear abgeschrieben werden.
Alternativ hierzu besteht die Möglichkeit die Bilanzierungshilfe einmalig im Jahr 2026 gegen die Allgemeine Rücklage (Stand: 31.12.2021: 98.264.560,11 €) aufzulösen.
Diese politische Entscheidung ist zu gegebener Zeit vom Rat der Stadt Winterberg zu treffen.
Wie in den beiden vergangenen Jahren der Ratsperiode haben Bürgermeister und Kämmerer bei unseren gemeinsamen Beratungen ein offenes Ohr für unsere kritisch hinterfragten Themen gezeigt.
Aus Sicht der FDP ist es der Verwaltung gelungen einen vernünftigen Haushaltsent-wurf 2023 zu erstellen.
Hierzu bedanken wir uns bei allen beteiligten Personen.

Das Verschieben der Belastungen auf nachfolgende Generationen macht uns nicht glücklich und mich persönlich nachdenklich.
Wir sehen aber im Moment für unsere Stadt auch keine andere Möglichkeit.

Da auch unsere Bürger von der Corona-Pandemie betroffen sind und Einschränkungen er-tragen, möchten wir an dieser Stelle besonders hervorheben, dass darauf besondere Rück-sicht genommen wurde:
Wie von uns bereits im Kommunalwahlkampf 2020 gefordert, wird auch in 2023 auf Steuerer-höhungen verzichtet.

Zum Haushaltplan 2023:

Es ist ein Spagat und eine fast unlösbare Aufgabe:
Soll man in Krisenzeiten investieren, oder strebt man in erster Linie einen ausgegli-chenen Haushalt an?
Mit Augenmaß und nach kaufmännischer Abwägung erfolgende Investitionen in die
Infrastruktur können in Krisenzeiten ein ratsames Mittel der Stadtpolitik sein.

Wir investieren in 2023 in ISEK-Projekte, u.a. in den Begegnungsraum Züschen (225.700,00 €), in das Haus des Gastes Altastenberg (100.000,00 €) und in das Projekt multifunktionaler Aufenthalts- und Begegnungsraum an der Sekundarschule Winter-berg (243.200,00 €).
Es wurden Kosten für die Entwicklung des Kirmesplatzes (63.000,00 €) zurückgestellt.
Wir würden uns freuen, wenn in diesem Zusammenhang auch über ein Parkhaus und/oder eine Schützenhalle nachgedacht würde. Eine Begegnungsstätte für Gäste und Einheimische, quasi ein Haus des Gastes gibt es auch nicht in Winterberg-Stadt. Wird die Lobby der WTW im Oversum als eine solche überhaupt angenommen?

Aufgrund dieser neuen Investitionen darf aber nicht ein Blick auf deren Folgekosten vergessen werden.
Folgekosten?
Jeder kluge Kaufmann kennt sie und behält sie im Blick.
Denn wer sich ein Auto kauft, muss auch Geld für Benzin, Steuern und Versicherung und darüber hinaus auch noch für mögliche anfallende Reparaturen haben.
Wir stellen daher den Antrag, für die Investitionsvorhaben, die bisher im Etat erfasst sind, eine Darstellung der für den Ver- bzw. Gebrauch bestimmten Folgekosten - spä-testens mit Vorlage des jeweiligen Realisierungsbeschlusses - vorzulegen.
Daher möchten wir – wie bereits oben erwähnt – in dieser herausfordernden Zeit im Rah-men der Haushaltsberatungen 2023 dringend an kaufmännische Tugenden erinnern und stellen den Antrag, auch einzelne der kleineren im Haushaltsplanentwurf aufgeführten Investitionen unter 25.000,00 € (d.h. Ansatz der Produkte im Entwurf, die auf 99 enden) kri-tisch auf den Prüfstand zu stellen.
Beim Studium des Haushaltes haben wir festgestellt, dass es sich allein bei diesen Produk-ten um Beträge i.H.v. insg. 385.000,00 €, mit steigender Tendenz für die Folgejahre, handelt.
Auch Kleinvieh macht Mist.
Geplant ist auch eine Investition von 1.120.000 € in eine Radwegeverbindung vom Nordhang in Winterberg nach Neuastenberg, wobei der Anteil der Gemeinde Winter-berg 415.000,00 € beträgt.

In diesem Zusammenhang stellt sich uns die Frage, was tun wir eigentlich für die Si-cherheit unserer Bürger und Gäste, die sich als Fußgänger zum Beispiel „Auf dem Waltenberg“ oder in der „Günninghauser Str.“ bewegen?
Welche Maßnahmen können und wollen wir ergreifen, um sicherzustellen, dass Fahr-radfahrer Rücksicht auf Fußgänger nehmen (manchmal vielleicht auch umgekehrt)?
Wir denken hierbei insbesondere an Fahrer von Mountainbikes, die mit meistens verkehrs-untauglichen Rädern und unangemessener Geschwindigkeit diese Straßen rücksichtlos befahren.
Obwohl uns bewusst ist, dass die Verwaltung in der Sitzung des Haupt- und Finanzaus-schusses vom 11.09.2018 auf Anfrage eines Ausschussmitgliedes der CDU-Fraktion geäu-ßert hat, dass auch der Radverkehr zum fließenden Verkehr zähle und Kontrollen aus-schließlich durch die Polizei erfolgen, stellen wir hiermit den Antrag, dieses Thema einmal aufzugreifen und mögliche erforderliche Maßnahmen in Absprache zwischen Polizei und Ordnungsamt zu initiieren.
Wir haben bereits bei der Einbringung des Entwurfs zum Haushaltsplan 2022 ausgeführt, dass wir hoffen, dass die geplante Parkraumbewirtschaftung des Brembergparkplatzes im Zusammenhang mit der Neuregelung der Umsatzbesteuerung für Kommunen ab 01.01.2023 zu einer Analyse der bestehenden Regelungen der Parkraumbewirtschaftung im Stadtgebiet führt.
Hier können nach unserer Auffassung weitere Einnahmen der Gemeinde generiert wer-den.
Wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass die geplante Schrankenanlage für den Brembergparkplatz erst in 2023 erstellt werden kann und die geplanten Kosten sich von 150.000,00 € in 2022 um 60.000,00 € auf 210.000,00 € in 2023 erhöhen.
Dies entspricht einer Kostensteigerung von 40%.
Wir stellen daher den Antrag, die Einnahmen und Ausgaben für alle möglichen Park-plätze, die im Rahmen der Parkraumbewirtschaftung insgesamt durch die Stadt Winterberg betrieben werden könnten, zusammenzustellen, um weitere Überlegungen zur Effizienzsteigerung anstellen zu können.

Erlauben Sie mir zum Schluss meiner Ausführungen noch einige Worte zum Thema Windkraft:
Landrat Dr. Karl Schneider hat einmal gesagt, dass aus „dem Land der 1.000 Berge kein Land der 1.000 Windräder werden dürfte.
Die FDP ist bei der letzten Kommunalwahl in 2020 mit einem eigenen Bürgermeister-kandidaten für Winterberg angetreten.
In dem Bewusstsein, dass Windkraftanlagen ein wichtiger Bestandteil im Energiemix zur klimaneutralen Wertschöpfung der Zukunft sind, vertrat dieser - aus Zweifel daran, dass sich das durch Windkraftanlagen ergebende neue Bild in die touristisch geprägte Landschaft einfügen lässt - den Standpunkt, dass der Eingriff in das Landschaftsbild und die Natur insbesondere durch Windkraftanlagen für die Anwohner keine Bot-schaft sei, die er überbringen möchte.

In den letzten 2 Jahren ist viel passiert:
Der Bundestag hat im Juli 2022 das „Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“ – kurz Wind-an-Land-Gesetz oder WaLG – beschlossen.
Damit stellt der Bund die Ausweisung von Bereichen für die Windenergie auf eine neue rechtliche Grundlage.
Das Gesetz tritt zum 1. Februar 2023 in Kraft.
Wir werden in den nächsten Jahren den Bau von Windrädern in Winterberg nach unse-rer Auffassung also nicht mehr verhindern können:
Trotz der bestehenden Vorgaben durch Bund und Länder bleibt die Mitsprache von Städ-ten und Gemeinden bestehen.
Auch in Winterberg stehen Politik und Investoren nun vor der Herausforderung, die Ak-zeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern herzustellen und tourismusschonende Standorte zu finden.
Wir können also nur alles in unserer Macht stehende tun, um akzeptable Lösungen zu finden.
Bürgerwindparks und diverse Formen der Beteiligungen, damit die Wertschöpfung vor Ort bleibt, sind genau die richtigen Ansätze.
Der Bau dieser Anlagen auf städtischen Grundstücken führt außerdem zur Generierung von Einnahmen, die wir bei der jetzigen Haushaltslage gut gebrauchen können. In einem WP-Bericht war neulich zu lesen, dass wir uns im Stadtparlament in den letzten Jahren mindestens 20 x mit dem Thema der Windkraft beschäftigt haben. Das stimmt, allerdings habe ich als langjähriges Mitglied des Rates immer den Eindruck gehabt, dass wir zufrieden waren, wenn wir als Kommune durch den Hochsauerlandkreis aufgrund von früheren Planungen mit dem geplanten Arrangement eines Investors in der Nähe von Altenfeld „ausgebremst“ worden sind. Positiv an der Entwicklung von Windkraftanla-gen haben wir in all den Jahren nicht gearbeitet. Heute lese ich in der WP, dass die Nachbarorte unserer Kommune rund um Bödefeld und Westernbödefeld demnächst von Windrädern umzingelt werden können.
Lasst uns jetzt gemeinsam zum Wohle der Energieversorgung der Zukunft auch an der Aufstellung auf Kalamitätsflächen arbeiten. Wir brauchen in 30 Jahren zehnmal mehr Energie als heute! Wir müssen uns Veränderungen stellen! Das ist keine Zumutung, sondern eine reale Notwendigkeit. Auch Berleburg macht uns aktuell mit seinen Planun-gen etwas vor und wird im Haushalt demnächst Erträge aus Energieversorgung für die Orte ausweisen können.

Die FDP-Fraktion bedankt sich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit während unserer Ausführungen.
Wir stimmen dem Haushaltsentwurf der Stadt Winterberg für 2023 und die Folgejahre heute zu.

Bernd Kräling, Faktionsvors. FDP am 16.12.2022